1. FC Köln – HSV 1:1 (1:0)
Vor dem Auswärtsspiel des HSV in Köln war HSV-Trainer Hannes Wolf angesichts der Ausfälle von Lasogga, Hunt und Holtby wahrlich nicht zu beneiden. Auch wenn ich mich hier bereits mehrfach kritisch mit Pierre Michel Lasogga auseinandergesetzt habe, so darf nicht übersehen werden, dass dieser der zentrale Stürmer im Kader des HSV ist, auf den das gesamte Spiel der Mannschaft seit Monaten ausgerichtet war. Annähernd gleichwertige personellen Alternativen in der Sturmspitze, wie sie der 1. FC Köln mit Terodde, Córdoba und Modeste fast schon im Übermaß besitzt, hat der HSV nicht zu bieten. Auch der unverändert andauernde verletzungsbedingte Ausfall von Aaron Hunt, dessen große Bedeutung ich hier inzwischen als bekannt voraussetze, wog schwer. Da Holtby dank einer 5. gelben Karte ebenfalls gesperrt ausfiel, stellte sich die Mannschaft fast schon von alleine auf. Die zu beantwortende Frage vor der Partie aber war, wie der HSV mit drei nominellen Sechsern und ohne den gewohnten Zentralstürmer in der Startformation offensiv gefährlich werden wollte. Hannes Wolf entschied sich für ein fluides System, in welchem Özcan die Rolle der s.g. „falschen Neun“ zufiel. Zudem nahm er Papadopoulos aus mikro-taktischen Gründen aus der Mannschaft und brachte stattdessen Lacroix als zweiten Innenverteidiger neben Rick van Drongelen.
Mannschaftsaufstellung: Pollersbeck – Sakai (81. Wintzheimer), Lacroix, van Drongelen, Douglas Santos – Jung (64. Vagnoman), Janjicic – Mangala – Narey, Jatta – Özcan
Angekurbelt wurde das HSV-Spiel wie gewohnt durch den starken Douglas Santos, der aus dem linken Halbraum viele Angriffe initiierte. Von den drei nominellen Sechsern spielte Janjicic den defensivsten und Mangala den offensivsten Part. Jung spielte ebenfalls deutlich offensiver als zuletzt und stieß gelegentlich in Lücken im zentralen offensiven Mittelfeld. Vorne unterstützten Narey und der auffällig stark aufspielende Jatta Özcan, sodass in der Angriffsreihe wie auch im Mittelfeld dahinter immer wieder Rautenformationen entstanden.
Köln beginnt stark, der HSV versteckt sich nicht
Vom Anpfiff an entwickelte sich eine sehenswerte Partie. Die Kölner Gastgeber drückten sofort auf das Tempo, und der ersatzgeschwächte HSV versteckte sich keineswegs, sondern war seinerseits erkennbar bemüht, wann immer sich die Gelegenheit bot nach vorne zu spielen.
Bereits in der 1. Minute konnte Lacroix gerade noch einen Schuss von Terodde blocken. Auch im weiteren Verlauf der ersten Spielhälfte blieb der 1. FC Köln das dominierende Team. Der stetige hohe Druck auf die HSV-Defensive führte zu einer Vielzahl von Standardsituationen meist zugunsten der Gastgeber. Insbesondere Sakai zeigte sich zunächst gleich mehrfach überfordert, die rechten Abwehrseite gegen die Kölner Angreifer zu schließen. Dies wurde jedoch im weiterem Verlauf der Partie aus Sicht des HSV etwas besser, da er mehr Unterstützung durch seine Kollegen erhielt.
In der 26. Spielminute führte einer der bereits angesprochenen Standards zur 1:0-Führung des 1. FC Köln. Ein Eckstoß von der rechten Kölner Angriffsseite wurde per Kopf vom einlaufenden Höger in Richtung langer Pfosten verlängert, sodass der dort lauernde Drexler praktisch keine Mühe hatte, den Ball aus kurzer Distanz über die Linie zu drücken. Sakai, der als rechter Außenverteidiger korrekterweise am langen Pfosten stand, sehe ich hier weitestgehend schuldlos. Es sind die Vielzahl an verursachten Standardsituationen, sowie das verlorene Kopfballduell von van Drongelen und Lacroix, die hier ursächlich waren.
Nach dem Führungstreffer der Gastgeber verhielt sich der HSV taktisch klug. Statt kopflos seinerseits auf den umgehenden Ausgleichstreffer zu drängen, zog sich die Mannschaft zunächst etwas zurück und konsolidierte zunächst die eigene Defensive. Man kam nun mit allen Leuten hinter den Ball, verengte die Räume in der eigenen Spielhälfte und störte die Kölner erst ca. 15 Meter vor der Mittellinie. Auffällig wurde nun, dass Pollersbeck im Spielaufbau nicht nur einige sehr gute tiefe Pässe durch die Kölner Schnittstelle auf Mangala gelangen, sondern dass er auch des Öfteren kontrolliert abwarf, statt den langen, hohen Ball zu spielen. In Zukunft bitte gerne mehr davon!
Zwei Halbzeiten, zwei Gesichter
Nach der Halbzeitpause begann der HSV personell unverändert. Bei Gideon Jung, der besser spielte als zuletzt, sah man dennoch weiterhin deutlich das Formdefizit nach seiner langen Verletzungspause. In der 64. Minute wurde er von Hannes Wolf durch Vagnoman ersetzt, nachdem er unmittelbar davor bereits gelb verwarnt durchaus glücklich nach einem weiteren Foulspiel der Ampelkarte entgangen war. Dieses Mal reagierte Wolf also zeitnah auf das drohende Spiel in Unterzahl.
Vagnoman besetzte sofort die rechte offensive Außenbahn, während nun vermehrt Narey in die Sturmspitze vorstieß, und Özcan sich etwas in Richtung des halbrechten offensiven Mittelfelds fallen ließ.
Etwa ab diesem Zeitpunkt begann der HSV zunehmend den Spielverlauf zu dominieren. Hatte Kölns Markus Anfang seine Elf zunächst offensiv mit einem 3-1-4-2 in das Spiel geschickt, so stellte er im weiteren Verlauf der zweiten Halbzeit nun schrittweise auf ein defensives 5-4-1 um. Dies war der Tatsache geschuldet, dass der über die ganze Partie bereits keineswegs ängstlich agierende HSV nun mit Macht auf den Ausgleichstreffer drückte. Der personell ungleich besser besetzte und klar favorisierte 1. FC Köln wurde über weite Strecken förmlich in der eigenen Hälfte durch Hamburgs Notelf eingeschnürt und war erkennbar nur noch bemüht, das knappe Ergebnis über die Zeit zu bringen. Allein dies ist schon ein Kompliment für den HSV.
In der 83. Minute nahm Wolf erneut mit Sakai den rechten Außenverteidiger vom Feld, setzte alles auf eine Karte und brachte mit Wintzheimer einen echten Stürmer. Beide Innenverteidiger, van Drongelen und Lacroix fächerten nun breiter auf, und Pollersbeck spielte eine Art Libero im Titz’schen Sinne.
Beinahe wäre Narey mit einem fulminaten Weitschuss bereits der Ausgleichstreffer gelungen, doch letztlich kam der flatternde Ball zu zentral, sodass ihn Horn im Tor des FC per Faustabwehr entschärfen konnte. Eine Minute später jedoch war es soweit: Aus einem Gewühl im Strafraum der Gastgeber war es ausgerechnet der kurz zuvor eingewechselte Wintzheimer, dem ein von Sobiech abgefälschter Ball fast vor die Füße fiel und dem dann das 1:1 aus kurzer Distanz gelang. Der inzwischen mehr als verdiente Ausgleich (85.)
Bemerkenswert war, dass die Hamburger Mannschaft danach keineswegs auf Ergebnisverwaltung umschaltete, sondern sich bis zum Abpfiff erkennbar um den Siegtreffer bemühte. Dieser sollte jedoch nicht mehr fallen, sodass es am Ende bei der Punkteteilung blieb.
Fazit: Ein Unentschieden, dass sich aus Hamburger Sicht angesichts der Personallage wie ein Auswärtssieg anfühlt. Und ein Unentschieden der besseren Sorte. Eine temporeiche, spannende Begegnung mit vielen Zweikämpfen, bei der die Gastgeber die erste Halbzeit, die Gäste die zweite Halbzeit dominierten. Hannes Wolf ist es gelungen, trotz der personellen Ausfälle ein taktisches Konzept zu entwickeln, das gegen den klar zu favorisierenden Gegner funktioniert hat. Insgesamt geht die Punkteteilung völlig in Ordnung. Dem HSV sollte diese Leistung, auch wenn wieder kein Sieg gelang, Zuversicht für die schweren Aufgaben im Saisonfinale geben.
Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen). Ließ bei Jungs Foul Gnade vor Recht ergehen, indem er nicht die Ampelkarte zückte. Leitete eine hart umkämpfte Partie mit vielen Fouls ansonsten unaufgeregt und ohne grobe Fehler.
Einzelkritik
Pollersbeck: Fehlerlos. Beste Saisonleistung in Sachen Aufbauspiel.
Sakai: Schwächen im Zweikampfverhalten.
Lacroix: In manchen Situationen war ihm die mangelnde Spielpraxis anzumerken. Meist jedoch „Herr der Lüfte“. Auch wenn Herr Born am Mikrofon von SKY es nicht gesehen hat mit einigen guten Defensivaktionen. Wirkte mit zunehmender Spieldauer sicherer.
van Drongelen: Verlor das Kopfballduell vor dem 1:0. Dennoch gut.
Douglas Santos: starker Antreiber aus dem Halbraum. Ein schwerer Verlust, sollte er nach der Saison gehen.
Janjicic: blitzsaubere Partie. Verteilte die Bälle mehrfach sehr klug.
Jung: fleißig aber mit fast schon gewohnten Stockfehlern. Besser als zuletzt, aber die Defizite u.a. beim Timing sind unverkennbar. Hätte bereits den Ausgleich erzielen können, traf aber nicht den Ball sondern den Gegner. Stand nicht zufällig vor dem Platzverweis.
Mangala: Stark. Auch er wird am Ende der Saison leider gehen. Auch dies ist ein schwerer Verlust.
Özcan: fleißig, konnte jedoch als falsche Neun zunächst kaum ins Spiel eingebunden werden.
Narey: Gute Leistung.
Jatta: Ganz starke Leistung offensiv wie defensiv. Enormes Laufpensum und einige gute Pässe mit Übersicht.
Vagnoman: Fügte sich nahtlos ein.
Wintzheimer: Nutzte seine Chance.